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Was in der Berliner Oper die Gemüter erregt

Mozarts Oper «Idomeneo» in der Inszenierung von Hans Neuenfels wird in Berlin abgesetzt. Worum geht es in der Oper? Was will der Regisseur?, in: Tages-Anzeiger, 28.09.2006

Was sind die Zutaten der Opernhysterie, welche die Deutsche Oper Berlin und die deutsche Politik erfasst hat?

Mozarts Oper

Zuerst einmal die Jugendoper Mozarts, «Idomeneo, König von Kreta». Idomeneo kehrt siegreich aus dem Trojanischen Krieg zurück. Auf der Rückfahrt überrascht ihn ein Seesturm. In dieser Not schwört er dem Meeresgott Neptun, dass er ihm den ersten Menschen opfern wird, dem er begegnet. Unversehrt landet Idomeneo auf Kreta und trifft als Ersten seinen Sohn Idamante.

Idomeneo will seinen Sohn retten: Er soll fliehen und sich verstecken. Als Idamante das Schiff für seine Flucht besteigt, kommt ein gewaltiger Sturm auf, und ein Menschen fressendes Meeresungeheuer fällt über die Insel her. Idomeneo muss dem Volk gestehen, dass er Neptun herausgefordert hat: Er bietet sich deshalb an Stelle seines Sohnes als Opfer an. Doch der Sturm tobt und das Ungeheuer tötet ungehemmt weiter. Idomeneo muss dem Volk eröffnen, dass er seinen Sohn Idamante opfern muss, um Neptun zu besänftigen. Die Opferzeremonie beginnt, doch bevor Idamante getötet wird, ertönt die Stimme des Orakels, die Idamante zum König von Kreta erklärt. Idomeneo dankt ab und krönt seinen Sohn - das Drama wandelt sich zum Happyend.

Neuenfels' Inszenierung

Der Regisseur Hans Neuenfels knüpft bei seiner Inszenierung von 2003 genau an diesem Schluss an und führt die Geschichte weiter: Idomeneo stellt am Schluss die abgeschlagenen Köpfe von Poseidon, Jesus, Buddha und Mohammed auf vier Stühle. Damit zeigt Neuenfels die subjektive Sicht von Idomeneo, der am Schluss sagt: Nein, ich mache bei keinem religiösen Fanatismus mit, ich löse mich aus allen Fesseln. Idomeneo trennt sich von seiner Weltanschauung, weil er einsieht, dass sie den Tod seines Sohnes bedeutet hätte. Diese Szene dauert 90 Sekunden. An der Premiere 2003 gab es einen kurzen Aufschrei - mehr nicht. Neuenfels hat einen zutiefst aufklärerischen Ansatz gewählt: ganz im Sinne Mozarts, der als Freimaurer dem aufklärerischen Gedankengut sehr nahe stand (was vor allem in der «Zauberflöte» seinen Niederschlag gefunden hat). Neuenfels spinnt den aufklärerischen Gedanken weiter bis hin zu Friedrich Nietzsches «Gott ist tot».

Neuenfels führt einen Diskurs über Religionsstiftung und über Leitbilder. Was geschieht mit Menschen, wenn sie sich auf Leitbilder einlassen, sie diesen hinterherlaufen und sich ihnen ausliefern? Welche Folgen hat das für sie selbst? Welche Folgen für andere? Welcher Hass, welche Zerstörung, welche Kriege entstehen daraus?

Debatte über aktuelle Themen

Parallel dazu erzählt er auch den Konflikt zwischen Vater und Sohn, der in dieser Oper angelegt ist: Mozart hat mit Idomeneo den Konflikt mit seinem Vater Leopold auf die Bühne gebracht. Und hier knüpft die Geschichte an einen weiteren Vater-Sohn-Konflikt an, der sowohl für Juden wie Christen und Muslime zentral ist: die Geschichte von Abraham, der seinen Sohn Isaak für Gott opfern soll. Wie weit soll der Mensch für Gott gehen?

Alles Fragen, die zu unserem humanistischen Kulturverständnis gehören. Fragen, die wir gemeinsam erörtern sollten. Immer wieder von Neuem. Um die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede besser zu sehen. Um einander in diesen zentralen Fragen besser zu verstehen. Um nichts unversucht zu lassen.



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