In nur vier Minuten haben Diebe am Sonntag Schmuckstücke von «unschätzbarem Wert» aus dem weltberühmten Museum Louvre in Paris gestohlen. Der Schweizer Kunstexperte Andrea Raschèr vermutet einen Insiderjob.
Andrea Raschèr: «Wer eine solche Aktion durchziehen will, braucht gutes Timing, eine sehr gute Logistik und eine ausgezeichnete Organisation», sagt er. Einfache Diebe wären nicht in der Lage, einen solchen Raub durchzuziehen. «In Frage kämen zum Beispiel ehemalige Mitglieder militärischer Spezialeinheiten oder Mitglieder von Grossfamilien in der organisierten Kriminalität», so Raschèr.
Er erinnert an den Juwelenraub von Dresden im Jahr 2019. Damals drangen Einbrecher in das historische Grüne Gewölbe ein und stahlen binnen Minuten elf Schmuckstücke und zahlreiche Einzelteile aus Diamanten und Brillanten. Der Schaden wurde auf rund 113 Millionen Euro geschätzt. Fünf Mitglieder der Berliner Remmo-Grossfamilie wurden später verurteilt, ein Angeklagter freigesprochen. Ein Grossteil der Beute tauchte 2022 wieder auf, teils beschädigt.
Bislang konnten die Täter nicht verhaftet werden und somit bleibt auch das Schicksal der wertvollen Beute unklar. Für den Kunstrechtsexperten gibt es eine schlechte und eine etwas bessere Variante, was nun mit der Beute passieren wird. Die schlechte Variante: «Schlecht wäre es, wenn es den Dieben nur um Geld ginge», sagt Raschèr. Dann würden die Schmuckstücke nämlich zerstört, die Diamanten und Juwelen umgeschliffen, das Edelmetall eingeschmolzen und dann verkauft. «Wer einen solchen Raub durchziehen kann, wird oft bereits einen Abnehmer haben», sagt Raschèr.
Die zweite Möglichkeit: Vermutlich war der Raub eine Auftragsarbeit. «Die Auftraggeber sind in solchen Fällen Menschen, denen es lediglich um den Besitz der Stücke geht, auch wenn sie diese nur wenigen Menschen zeigen können», erklärt der Experte. «Das gibt solchen Sammlern ein Gefühl von Macht und Überlegenheit, indem sie etwas so Besonderes zu besitzen.»
Sollte es so sein, bestünde die Möglichkeit, dass die Stücke eines Tages wieder auftauchen könnten. «Zum Beispiel, wenn der Sammler stirbt und die Erben das Diebesgut dann zurückgeben», fügt er hinzu. Auch wenn so etwas Jahre dauern mag, wäre es immer noch besser, als wenn die Stücke unwiederbringlich zerstört würden.
Auch wenn die Durchführung des Raubs innerhalb weniger Minuten für ein grosses Mass an Professionalität der Diebe spricht, sei noch nicht alles verloren: «Der kritische Faktor ist immer der Mensch. Es gibt immer ein schwaches Glied in einer Gruppe, und wenn dieses einen Fehler macht, kann das zur Festnahme führen», erklärt Andrea Raschèr. «Aber dafür braucht es Inspektor Zufall.»
Der Faktor Mensch spielt aber auch noch in einem anderen Bereich eine zentrale Rolle. «Das war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Insiderjob», sagt der Experte. Den Ermittlungen zufolge kamen die Diebe über eine Baustelle in den Louvre. «Das deutet stark darauf hin, dass sie Helfer hatten, sei es von jemandem aus dem Museum oder von den beteiligten Baufirmen», sagt Raschèr.
Hundertprozentige Sicherheit gäbe es in keinem Museum. «Es wäre daher verkehrt, mit dem Finger auf den Louvre zu zeigen», sagt der Kunstrechtsexperte. «Jedes Museum steht im Spannungsfeld von Sicherheit und dem Zugänglichmachen der Exponate.» Dennoch müsste man sich nun fragen, ob im Falle von Paris die Sicherheitsvorkehrungen genügt hätten. «Aber es ist klar: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.»